Seit einem Jahr bereits besitzen wir kein eigenes Auto mehr und sind damit entweder mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs.
Wir verhalten uns somit soweit es geht klimafreundlich.
Diverse Umweltschutzorganisatoren und hippe Politiker hängen sich an das Thema und möchten sich damit profilieren.
Wir haben einen Langzeitselbstversuch gestartet und wollten es am eigenen Leib „spüren“ was es eigentlich heißt sich weg vom Individualverkehr hin zum Massentransportmittel zu bewegen. Dabei haben wir uns von Anfang an die Frage gestellt ob es ein Fort- oder Rückschritt ist den wir machen?
Bislang haben wir festgestellt, dass obwohl wir in der glücklichen Lage sind eine S-Bahn und einen Busbahnhof quasi vor der Haustür zu haben, oftmals viel Zeit mitbringen müssen um die täglichen Dinge erledigen zu können.
Unseren Zahnarzt z.B. haben wir nicht im Wohnort sondern müssen 40 Km (einfache Fahrtstrecke) fahren. Das bedeutet einen Zeitaufwand von ca. 2 Stunden und mindestens ein mal Umsteigen. Mit hin und zurück sind das im günstigsten Fall 4 Stunden Bahnfahrt wenn wir mal einen Termin beim Zahnarzt wahrnehmen wollen.
Nun könnte man ja sagen sucht Euch doch einen Zahnarzt im Ort. Das sagt sich aber so einfach wenn man sich aber einen besonderen Zahnarzt ausgesucht hat der bestimmte Behandlungsmethoden anbietet relativiert sich das schon wieder etwas. Wir haben also keinen Zahnarzt der von der Stange behandelt sondern einen Speziellen den wir auch sehr lange gesucht haben. Deshalb haben wir diesen langen Anfahrtsweg.
Die Wegstrecke ist vorgegeben nicht aber die Taktung und auch die Anschlusslogistik nicht. Und hier genau geht auch sehr viel Zeit wegen Warten verloren.
Wenn wir kürzere Taktzeiten und genauere Abstimmungen bei den Anschlüssen hätten könnte man diese Zeiten erheblich reduzieren.
Wir denken, dass hier das Optimierungspotential zumindest auf dieser Strecke bei ca. 40% liegen würde. Oft kommt es auch vor, dass die Züge überfüllt sind. Auch sind Verspätungen keine Seltenheit mehr. Wenn die Anbieter hier Ihr Potential voll ausschöpfen würden sind wir uns sicher, dass noch mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen würden.
Taktung verkürzen, Verbindungen logistisch variabel optimieren und Kapazitäten variabel anpassen (mit den modernen Methoden sollte das kein Problem mehr sein) wären nur einige Tipps wie man den ÖPNV attraktiver gestalten könnte. Mal abgesehen von den hohen Preisen. Auch hier könnte man sicherlich den Ein oder anderen potentiellen Fahrgast von der Straße holen.
Jetzt haben wir mal den ÖPNV so richtig auf die Probe gestellt und einen Feldversuch unter Realbedingungen gestartet.
Aber jetzt wollen wir uns den ultimativen Kick holen und es auf die Spitze treiben in dem wir eine Fahrt in den Schwarzwald planen.
Wir wollen also von unserem Wohnort Bad Rappenau in den finstersten Schwarzwald nach Aitern reisen.
Erste Recherchen haben ergeben dass dies gar nicht so einfach zu sein scheint.
Dann haben wir uns das sogenannte Baden-Württembergticket ausgesucht was uns dazu zwingt nicht die „schnellen“ Fernzüge nutzen zu können sondern nur die regionalen Bahnen und Busse.
Das heißt, dass wir in der Regel nur ein sehr eingeschränktes Angebot nutzen können. Dafür müssen wir oft Umsteigen und haben lange Wartezeiten wegen der nicht optimierten Anschlüsse.
Auf dem Hinweg, eine Strecke von ca. 250 Km dauert dann auch in einem zivilisierten und hochentwickelten Land wie Deutschland mit sechs Umstiegen über 7 Stunden.
Das erinnert mich an eine Fahrt von Padna(Indien) nach Kathmandu(Nepal) im Bus. Diese Fahrt war 200 Km lang und dauerte knapp 14 Stunden. Man bedenke aber das war 1981 und Nepal war damals ein sehr armes und sehr unterentwickeltes Land.
Und der Vergleich hinkt natürlich, denn hier in Deutschland steckt der Staat ja bekanntermaßen sehr viel Geld in den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur, oder habe ich da was Missverstanden?
Das Reiseziel liegt in einem landschaftlich geschichtsträchtigen aber inzwischen touristisch sehr stark erschlossenen Gebiet.
Der Belchen war schon in der mittleren und jüngeren Steinzeit ein wichtiges und markantes geographisches Ziel für Schamanen und Druiden. Dabei diente der Belchen unter Anderem der Bestimmung des Zeitpunktes für die Aussaat des Getreides im Frühjahr. Auch war er wohl ein Rückzugsort für die damaligen „Wissensträger“ verschiedenster Art. Und nicht zu unterschätzen war er wohl ein wichtiger „alternativer“ aber auch sehr beschwerlicher Übergang fernab der Hauptwanderrouten entlang des Rheintales. Hier konnte der Fernwanderer relativ sicher sein vor Überfällen die meist entlang der Hauptreiseruten in der Vorzeit geschahen.
Davon bemerkt der moderne Tourist allerdings nichts wenn er entlang und über den Schigebieten in seiner Seilbahngondel schwebt.
Energie auch regenerative scheint ja dank Wasserkraft genug vorhanden zu sein um das zu leisten.
Was die Bürger von Schönau bereits vor Jahrzehnten erkannten und sich diese Resource von den profitorientierten Energieriesen zurück erkämpften.
Hut ab vor so viel Weitblick(trotz engem Tal), Mut und Durchhaltevermögen.
Leider sind die Schönauer Bürger in Europa bis heute der einzige Bürgerzusammenschluss der dieses Abenteuer gewagt hat.
Es scheint sich gelohnt zu haben, denn die EWS (Energie Werke Schönau) sind fleißig dabei sich zu vergrößern. Ein neuer Verwaltungskomplex im Ortseingang lässt tief blicken.
Nach zwei Nächten am Belchen machen wir uns auf den langen Rückweg. Dieses Mal führt uns der Weg wieder über den Feldberg, Tittisee nach Freiburg. Und entlang des Rheintals über BadenBaden, Karlsruhe, Eppingen, Sinsheim zurück nach Bad Rappenau.
Ab Tittisee waren die Züge derartig voll, dass wir uns die Frage stellten wie das gehen soll wenn die Politik den Individualverkehr einschränken will und der ÖPNV nicht ausgebaut wird. Das ist jetzt schon eng, wird aber zum Chaos wenn man diese Mammutaufgabe wie bislang „aussitzen“ möchte und die Erfordernisse für den Umstieg seitens der Regierung nicht löst.
Wir konnten feststellen, dass sich gerade auch junge Menschen und junge Familien des ÖPNV bedienen, um ihren Kurzurlaub wie wir alternativ und umweltbewusst zu gestalten.
Allerdings gibt es noch sehr viel Luft nach oben. Gerade wenn man die Taktung und die Anschlussverbindungen betrachtet.
Gegen das schlechte Wetter kann auch die Bundes- wie Landesregierung noch nichts machen. Wir jedenfalls hatten dieses verlängerte Wochenende über fast durchgängig Regen. Aber die Natur schien es zu brauchen.
Fazit
Wir hoffen und wünschen uns, dass von dem hohlen Gerede der hohen Politik mehr als nur Lippenbekenntnisse übrig bleiben und mal tatsächlich das viele Geld der Bürger nicht nur verschwendet sondern der Nahverkehr gefördert wird.